"Gut genug" ist oft besser als "Perfekt"Mit den ersten Überlegungen zu einem neuen Auto begannen meine Frau und ich bereits Ende 2004. Jetzt wird es langsam ernst, denn unser Mitsubishi Colt 1.6 GLX wird diesen Mai neun Jahre alt und hat mehr als 120.000 Kilometer auf dem Tacho. Zeit also für einen Nachfolger. Und damit beginnt sie, die Qual der Wahl. Der Psychologe Barry Schwartz veröffentlichte vor einiger Zeit einen Artikel "The Tyranny of Choice" im "Scientific American" auf den ich dank des Artikels "Making The Right Choice" stiess, als ich letztes Jahr vor dem Sommerurlaub eine neue digitale Kamera kaufen wollte. Kernaussage des Artikels: je mehr Wahlmöglichkeiten man hat, desto schwieriger (und frustrierender) ist es, die beste Wahl zu treffen. Fazit: es schadet nicht, vorab Ausschlusskriterien zu definieren, um die Auswahl einzugrenzen. Stecken wir zuerst den groben Rahmen abWir suchen also einen Wagen in der Klasse unseres Colt, der ähnlich preiswert und zuverlässig sein sollte, wie es der Colt bisher war. Es wird wieder ein Benziner sein und er sollte moderne Sicherheitstechnik wie ABS und ESP bieten. Vorab stehen für uns schon ein paar Details fest: der "Neue" soll mindestens 350 Liter Kofferraumvolumen haben. Er soll komfortabel genug sein, um auch die langen Strecken nach Südfrankreich angenehm zu gestalten. Er wird wieder ein Schiebedach zur besseren Belüftung haben, sowie eine Umluftklappe, um den Gestank der Diesel fern zu halten. Und es wird wieder ein rotes Auto sein. ZielgruppenEs wird leider kein Mitsubishi Colt mehr sein, da wir nicht zur Zielgruppe für den neuen Colt gehören:
Das ist laut einem Artikel auf auto-news.de die Zielgruppe der Marketingstrategen von Mitsubishi. Da wir schon seit ein paar Jahren nicht mehr 25 und vor allem ganz bewusst nicht "lifestylig" sind, ist der neue Colt also kaum für uns gedacht. Ansonsten ist es ein optisch angenehmes, gut durchdachtes Auto, allerdings ohne ernsthaften Kofferraum. Statt dessen gibt es eine Art erweitertes Handschuhfach hinter der Rückbank, das gerade mal 220 Liter fasst. StatistikenDie letzten 15 Jahre fuhr ich recht gut damit, der ADAC-Pannenstatistik eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung für ein neues Auto einzuräumen. Somit beginnt auch dieses Mal die Auswahl mit dem Blick auf die Statistik. Im Prinzip wollen wir nur die Modelle (oder deren Nachfolger) in Betracht ziehen, die in den letzten beiden Jahren im ersten, oberen Drittel der Pannenstatistik lagen. Einschub: ob die Pannenstatistik noch auf längere Zeit weiter diese Rolle spielen kann, ist fraglich, denn immer mehr Hersteller scheinen ihr eigenes Netz zur Pannenhilfe auszubauen, wodurch die Statistik des ADAC vermutlich irgendwann nicht mehr aussagekräftig sein wird. Zwar fahre ich gerne Auto, aber mein Verhältnis zum Auto ist doch primär technisch-sachlich geprägt. Die Optik spielt in der Regel erst nach Preis/Leistung eine Rolle. KofferräumeUnser Wohnort liegt im Rheinland und somit schön zentral für Abstecher in das europäische Umland. Wir machen deshalb öfter mal eine Wochenendtour zum Wandern oder zu einem Städtebummel nach Luxemburg, Belgien oder Frankreich. Gepäck, das nicht in den Kofferraum passt, liegt auf der Rückbank und lockt im schlechtesten Fall Langfinger an. Der Kofferraum unseres Colt fasst 235 Liter, reicht also gerade für das Gepäck der Wochenendtouren. Aber bei längeren Urlaubsfahrten ist die Rückbank immer beladen und der "Neue" sollte deshalb einen ausreichend grossen Kofferraum haben, damit die Rückbank frei bleiben kann. Die KandidatenWie bei den meisten Leuten prägen eigene und die in Freundeskreis und Verwandschaft gemachten Erfahrungen unser Kaufverhalten. Dazu kommen die ersten sieben Plätze der Tabelle "Untere Mittelklasse" der Pannenstatistik. Insgesamt kamen uns folgende Kandidaten in den Sinn. In alphabetischer Reihenfolge:
Die HändlerMazda-Händler Auto Becker, Probefahrt mit Hürden Erster Versuch bei Auto Becker in Bonn-Dransdorf. Freitagabends schauen wir uns kurz den Mazda3 im Ausstellungsraum an. Eine Probefahrt vereinbaren wir für kommenden Mittwoch um 9 Uhr. Als wir wie verabredet Mittwoch früh um 9 Uhr bei Becker erscheinen, kommen wir uns ziemlich einsam vor, denn vom Verkaufspersonal ist niemand da. So stehen wir im Regen vor der verschlossenen Tür. Immerhin lässt uns auf Nachfrage jemand von der Werkstatt in den Verkaufsraum, damit wir die Wagen schon mal probeweise mit unserem Mustergepäck beladen können. Nach gut 15 Minuten erscheint zwar immer noch nicht "unser" Verkäufer, aber die Chefin. Die dann bedauernd feststellt, dass sie uns nicht fahren lassen kann, da wir unsere Ausweispapiere nicht dabei haben. Formal ist das unser Fehler, denn man sollte seine Papiere als ordentlicher Deutscher immer bei sich haben. Aber ein Autohändler sollte seine Kunden bei der Terminvereinbarung zu einer Probefahrt darauf hinweisen. Mazda-Händler Autohaus Geis, Probefahrt Mazda3 1.6 l Deutlich mehr Glück haben wir mit dem zweiten Händler, Autohaus Geis in Bonn. Mit Herrn Geis vereinbare ich telefonisch eine Probefahrt für den kommenden Freitagvormittag und als wir um 10 Uhr im Autohaus erscheinen, treffen wir sowohl Herrn Geis als auch einen vollgetankten, startbereiten Mazda3 Exclusive mit Stufenheck an. Nach einem kurzen Vorgespräch mit Einweisung und den Formalien dürfen wir uns mit dem Wagen auf unsere Probestrecke begeben. Unsere Probestrecke geht über ein Drittel Autobahn (von Bonn nach Bad Neuenahr-Ahrweiler), dann über ein Drittel Landstrasse (nach Meckenheim) und wieder über ein Drittel Autobahn zurück. So können wir einen guten ersten Eindruck unter unterschiedlichen Straßenbedingungen gewinnen. Der Mazda3 liegt sehr gut auf der Straße und reagiert direkt auf Gas, Bremse und Lenkung. Auch bei höheren Geschwindigkeiten ändert sich das nicht. Gewöhnungsbedürftig ist zu Beginn der recht lange Kupplungsweg und die scharf zupackende Bremse. Die Schaltung ist präzise und leichtgängig mit kurzen Wegen. Der fünfte Gang könnte für meinen Geschmack allerdings etwas besser übersetzt sein. Bei der Fahrt mit höherer Geschwindigkeit über eine deutliche Bodenwelle auf der Autobahn reagiert der Wagen ruhig. Die 1,6-Liter-Maschine läuft ruhig und ist deutlich leiser als die in unserem Colt. Man merkt neun Jahre Unterschied. Allerdings gilt das leider nicht für den Spritverbrauch, da hat sich nicht viel verändert. Die Inneneinrichtung ist sauber verarbeitet. Alle Hebel und Tasten liegen dort, wo ich sie erwarte und sind ohne Verrenkungen zu erreichen. Außerdem sind sie ergonomisch gut angeordnet. Das erlaubt nach kurzer Eingewöhnung die Bedienung ohne hinzusehen. Etwas unschön ist allerdings die Instrumententafel, bei der jedes Instrument einzeln in einer Röhre steckt. Das soll wohl sportlich erscheinen. Offensichtlich haben hier die Designer über die Ergonomen triumphiert. Nun muss das Auge beim Wechsel zwischen den Instrumenten immer kurzzeitig auf den weiter vorstehenden Rand der Röhren umfokussieren, was auf Dauer die Augen schneller ermüdet als eine ebene Instrumententafel. Fazit nach einer Stunde Probefahrt: der Wagen passt wie massgeschneidert. Die Sitze sind bequem und geben auch in zügig gefahrenen Kurven guten Halt. Der Mazda3 ist ein rundum angenehmes Auto, das in die enge Wahl kommt. Toyota-Händler 3H Automobile, Probefahrt Toyota Corolla Da das Autohaus Geis in einem Gebiet liegt, in dem sich auch andere Autohäuser befinden, nutzen wir den restlichen Vormittag, um noch schnell bei Toyota vorbeizuschauen. Der Toyota-Kundenberater Herr Birkenbach kann uns bei unserem spontanen Besuch leider nur einen Diesel zur Probefahrt anbieten. Damit fahren wir kurz zu Hause vorbei, um mit unserem Mustergepäck die Größe des Kofferaums zu testen. Wie erwartet ist der Kofferaum etwas klein. Zurück bei Toyota führen wir mit Herrn Birkenbach noch ein informativen Beratungsgespräch und vereinbaren dann für den kommenden Mittwoch eine Probefahrt mit einem Corolla Sedan. Auch diese Probefahrt geht über unsere Teststrecke, um einen fairen Vergleich zum Mazda3 zu ermöglichen. In der Stadt liegt der Corolla gut auf der Straße. Auf der Autobahn zeigt ab etwa Tempo 130 die Lenkung um die Mittellage herum zuviel Spiel und der Wagen hält nicht mehr exakt die Spur. Somit sind permanente leichte Korrekturen notwendig, um in der Mitte der Fahrbahn zu bleiben. So möchte ich nicht auf langen Strecken fahren müssen. Auch auf die mit höherer Geschwindigkeit überfahrene deutliche Bodenwelle reagiert die Lenkung zu heftig. Auf der Rückfahrt kommen wir auf der Autobahn durch eine enge, abwärts führende Kurve, an deren Rand der Asphalt durch die Hitze gewellt ist. Auch hier verhält sich der Toyota nicht optimal, denn die Federung schaukelt sich bei diesen Wellen merklich auf, anstatt sie zu kompensieren. Inneneinrichtung: Die Lage der Schalter für die Außenspiegel und Fensterheber ist suboptimal. Sie liegen in der Tür etwas weit hinten, sodass ich zur Betätigung den Arm zurück nehmen muss, wodurch mein Ellenbogen zwischen Sitz und B-Säule gerät und klemmt. Die Schalter der Lüftung liegen alle in einer Reihe, was alles andere als ergonomisch ist. Man muss hinsehen, ob man den richtigen Schalter betätigt und das lenkt unnötig vom Verkehr ab. Fazit nach der Probefahrt: Auf der Autobahn fühlten wir uns nicht allzu wohl im Corolla. Deshalb kommt er für uns nicht infrage. Herr Birkenbach ist über unseren Fahrbericht verständlicherweise entsetzt. Es tut uns auch leid, aber es hilft nichts: Der Toyota kommt nicht in die engere Wahl. Händler Peugeot Rheinland, Probefahrt Peugeot 307 CC Der 307 CC war ein eher unerwarteter Kandidat, aber als wir im Internet zufällig auf eine Beschreibung stossen, die von 350 Litern Kofferraum spricht, ist unsere Neugier geweckt. Eine Probefahrt ist schnell vereinbart und Herr Bohle, der freundliche Verkäufer, weist uns nach dem Papierkram kurz in den Wagen ein. Vor allem zeigt er uns, wie man das Dach auf und zu klappt. Auf unserer Teststrecke verhält sich der 307 CC gut und unauffällig. Die Instrumente sind sehr übersichtlich — da könnte Mazda etwas lernen. Nur sind die Spiegel innen und aussen relativ klein. Daran könnte man sich aber vermutlich gewöhnen. Der 307 CC hat weder bei der Fahrt mit offenen Fenstern hinten, noch bei der Fahrt mit offenem Dach Probleme mit dem Luftstau. Allerdings ist er bei Geschwindigkeiten ab 130 km/h recht windempfindlich. Da außerhalb Deutschlands 130 km/h Höchstgeschwindigkeit üblich sind, könnte man damit leben. Ein Cabrio mit Stahldach ist eine feine Sache. Und der 307 CC ist sexy. Aber leider hat er Sitze, die für lange Strecken nicht geeignet sind. Zum einen fehlt den Sitzen eine Lendenwirbelstütze und zum anderen sind die Seiten so steif, dass man mit nach vorne gewölbten Schultern im Fahrzeug sitzt. Obwohl wir beide regelmäßig medizinisches Krafttraining betreiben, hatten wir nach der einstündigen Probefahrt Rückenschmerzen. Zwischenergebnis: der CC ist ein sexy Auto, aber mit einem deutlichen Kaufhindernis, den Sitzen. Denn Peugeot bietet leider keine anderen Sitze für den Wagen an. Deshalb saßen wir das anschliessende Wochende herum und überlegten, ob man wohl die Sitze tauschen oder beim Autosattler ändern lassen könne. Da aber die Seitenairbags bei Peugeot in den Sitzen eingebaut sind, ist das vermutlich problematisch. Und da ist auch noch die Pannenstatistik sowie der abgebrochene Langzeittest. Fazit: Mit anderen Sitzen wäre der 307 CC ein ernsthafter Kandidat gewesen. Schade! Mazda-Händler Autohaus Schmeltzer, Mazda3 Sport Nachdem wir schweren Herzens den 307 CC abgeschrieben haben, wollen wir nochmal einen Mazda3 zur Probe fahren, allerdings diesmal auch, wenn es windig ist. Ein weiterer Mazda-Händler befindet sich in Wachtberg bei Bonn. Da das windige Wetter anhält, vereinbaren wir dort für den nächsten Tag eine Probefahrt, diesmal mit der Fliessheckvariante Sport. Nach Führerschein und Ausweis fragt uns diesmal niemand, aber wir dürfen nur fahren, wenn jemand aus dem Geschäft mitfährt. Also machen wir diesmal eine Probefahrt mit einem (freundlichen) "Aufpasser" auf der Rückbank. Der Mazda3 Sport bestätigt den guten Eindruck, den wir bereits im Mazda3 Sedan gewonnen hatten. Seitenwind stört ihn nicht. Und er zeigt uns, dass die zu scharf zupackende Bremse ein Problem des vorherigen Wagens war, denn hier packt die Bremse zwar energisch aber nicht zu scharf. Ein kleiner Nachteil des Sport soll nicht unerwähnt bleiben: wenn man die hinteren Fenster öffnet, pulsiert die Luft auf der Autobahn unangenehm in den Innenraum. Beim Sedan war uns das nicht aufgefallen. Allerdings hatten wir diesen Effekt auch beim Corolla wahrgenommen. Mein Verdacht ist, dass einige Modelle arodynamisch so "ungeschickt" entworfen sind, dass die von der Front verdrängte Luft kurz vor dem Heck wieder zum Wagen strömt und auf die Fenster trifft. Alle Verkäufer meinten auf meine Frage jeweils, dass es ihnen noch nie aufgefallen sei. Aber sie meinten auch, dass kaum noch jemand ein Schiebedach kaufe, weil man ja Klimaanlage habe. Da vergleichen sie allerdings Äpfel mit Birnen, denn beide erfüllen ganz unterschiedliche Zwecke: die Klimaanlage kühlt, während das Schiebedach für mehr Luftdurchsatz und dadurch bessere Belüftung sorgt. Unser Colt hat beides und wir möchten weder auf die Klimaanlage noch auf das Schiebedach verzichten. Ein erstes ZwischenergebnisEin Cabrio mit Stahldach hätte uns gereizt. Da uns aber kein rettendes Argument für den 307 CC einfällt, ist das Ergebnis eindeutig: der Mazda3 ist unser aussichtsreichster Kandidat. Allerdings liegen mittlerweile fast zwei Drittel des Monats hinter uns und in ein paar Tagen beginnt unser Sommerurlaub. Im Mazda3-Forum war inzwischen zu erfahren, dass es ab Juni ein interessantes Sondermodell "Active" geben wird, dass das meiste Zubehör uns interessierende Zubehör von Hause aus mitbringt. Die Mazda-Homepage weiss natürlich noch nichts zu diesem Modell zu sagen, auch Prospekte gibt es noch keine. Und unsere ersten Preisverhandlungen verliefen nicht zu unserer Zufriedenheit. Da wir nichts überstürzen wollen, fahren wir jetzt erst einmal mit dem guten, alten Colt in Urlaub und sehen bei unserer Rückkehr weiter. |